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EnergiewendeMobilität#BEMYBIKEFRIEND EPISODE #6: Jochim Maack – Schnackschrauber

#BEMYBIKEFRIEND EPISODE #6: Jochim Maack – Schnackschrauber

Ein Fahrrad ist für die meisten von uns schlicht ein Fortbewegungsmittel. Für viele Menschen, die aus Ihrer Heimat fliehen mussten, kann ein Fahrrad jedoch mehr sein. Die damit verbundene Unabhängigkeit wird für manche zum ersten Schritt in ein neues und selbstbestimmtes Leben. Diese Menschen unterstützt unser Kunde Jochim Maack mit seiner Initiative „Die Schnackschrauber“. Für unsere Artikelreihe #bemybikefriend haben wir mit Jochim über sein Projekt gesprochen.

Green Planet Energy: Lieber Jochim, erzähl‘ uns von den Schnackschraubern. Wer seid ihr und was macht ihr?

Das Logo der Schnackschrauber

Jochim Maack: Wir sind eine ehrenamtliche Truppe, die Spendenräder aufarbeitet und sie dann an Geflüchtete und andere Bedürftige abgibt. Nach Möglichkeit gegen eine kleine Spende, was erfahrungsgemäß die Wertschätzung erhöht. Aber da lassen wir mit uns handeln. Bei Menschen aus Erstaufnahmen und Kindern drücken wir gern ein Auge zu. Zudem reparieren wir die Räder unserer Kund:innen, um sie verkehrssicher zu halten.

Green Planet Energy: Wie ist die Idee der Schnackschrauber entstanden und was hat dich dazu bewegt?

Die Fahrrad-Reparaturstationen als sozialer Treffpunkt

Jochim Maack: Begonnen hat alles 2015 im Rahmen der sogenannten Willkommenskultur.  Wir fingen in der damals größten Erstaufnahme Hamburgs an, wo zeitweise mehr als 3.000 Geflüchtete untergebracht waren. Die Idee war und ist es, die Geflüchteten in der neuen Umgebung mobiler zu machen und speziell auch den vielen Kindern den tristen Alltag ein wenig zu erleichtern. Wir hatten mitten im Lager unsere Containerwerkstatt, vor der an den zwei Werkstatttagen pro Woche 30 bis 40 Menschen mit ihren reparaturbedürftigen Rädern Schlange standen. Hilfe zur Selbsthilfe gehörte zum Konzept, im Ergebnis arbeiten einige unserer damaligen „Kunden“ noch heute bei uns mit. Unsere Werkstatt war zu den Öffnungszeiten ein echter Treffpunkt für viele Menschen.

Green Planet Energy: Woher kommt denn dieser ungewöhnliche Namen?

Jochim Maack: „Schnackschrauber“ leitet sich zum einen vom Straßennamen Schnackenburgsallee ab, damals Standort der Erstaufnahme. Zum anderen kommunizieren – plattdeutsch „schnacken“ – wir viel bei der Arbeit, sowohl untereinander als auch mit unseren Kund:innen. Inzwischen gibt es die alte Erstaufnahme nicht mehr. Wir haben aber eine neue Heimat auf dem Geflüchtetenhof einer Luthergemeinde in Hamburg-Altona gefunden. Dort haben wir mit Unterstützung des zuständigen Bezirksamts große Werkstattcontainer übernommen. Von hier bedienen wir jetzt die vielen Folgeunterkünfte der Umgebung sowie inzwischen auch andere Bedürftige.

Green Planet Energy: Du bist gelernter Drucker und studierter Volkswirt. Woher kommt deine Fahrrad-Begeisterung?

Jochim Maack: Das Rad war schon immer mein liebstes Fortbewegungsmittel, sei es zur Schule, zur Arbeit oder in der Freizeit. Inzwischen kommt noch der Umweltaspekt hinzu. Radfahren ist nahezu emissionsfrei und Räder sind bei entsprechender Pflege sehr langlebig. So ist das Fahrrad für mich mit der Zeit weitaus mehr geworden, als nur ein Fortbewegungsmittel.

Green Planet Energy: Was für Räder werden zurzeit am meisten gebraucht und wie kann man euch Schnackschrauber unterstützen?

Ein Junge freut sich auf seiner neues Fahrrad

Jochim Maack: Aktuell erreichen uns viele neue Geflüchtete aus Afghanistan, darunter Familien mit Kindern. Die Freude der Kinder über ein Rad ist für uns immer eine besondere Motivation. Leider mangelt es uns derzeit an Kinderrad-Spenden aller Größen. Da tut es manchmal schon weh, Wünsche nicht erfüllen zu können. Bei Kinderrädern haben wir also gerade einen besonderen Bedarf. Zugleich gibt es sicher in etlichen Kellern und Schuppen noch Räder, denen die eigenen Kinder entwachsen sind. Da wären wir dankbare Abnehmer – und würden die Räder nach Überprüfung, Reparatur und Wiederherstellung der Verkehrssicherheit gerne an die Kinder und Jugendlichen unter den Geflüchteten weitergeben. Wer ein Rad spenden möchte, erreicht mich am besten per Mail unter VeloFit@gmx.de. Leider können wir nur Räder aus Hamburg und Umgebung nehmen, da die Abholung für uns sonst zu aufwändig ist.

Green Planet Energy: Außer bei den Schnackschraubern bist du auch noch mit Fahrrad-Reparaturstationen aktiv. Was hat es damit auf sich?

Eine Fahrrad-Reparaturstation von Ibombo an einem Fahrradparkplatz

Jochim Maack: Bei der Suche nach Selbsthilfemöglichkeiten für die Menschen in den Erst- und Folgeunterkünften bin ich auf die Fahrrad-Reparatur- und Pumpstationen der polnischen Manufaktur Ibombo gestoßen. Das sind Metallsäulen, an denen alle zur Fahrradreparatur wichtigen Werkzeuge an Stahlseilen hängen und die zudem mit einer Standluftpumpe ausgerüstet sind. Gedacht sind sie für den öffentlichen Raum, jederzeit und für alle nutzbar. Sogar Reparaturanleitungen kann sich jede:r über einen aufgedruckten QR-Code herunterladen.

Green Planet Energy: Was war deine Vision für die Reparatursäulen, als du damit begonnen hast?

Jochim Maack: Zuerst wollten wir Geflüchtetenunterkünfte damit auszurüsten, damit die Bewohner:innen auch außerhalb unserer Werkstattzeiten an ihren Rädern schrauben können. Heute stehen solche Reparatursäulen in mehreren Unterkünften in ganz Hamburg. Aber nicht nur dort, denn inzwischen vertreibe ich dieses Produkt auch an Schulen, Jugendzentren, Kirchengemeinden und Kommunen. Kurz gesagt an alle, die etwas für die radfahrende Bevölkerung tun wollen. Mittlerweile entwickle ich zusammen mit den polnischen Herstellern die Stationen weiter, zum Beispiel durch die Integration von Lademodulen für E-Bikes.

Green Planet Energy: Kommt die Idee denn sichtbar voran?

Jochim Maack wartet eine Fahrrad-Reparaturstation

Jochim Maack: Es gibt großen Bedarf im öffentlichen oder halböffentlichen Raum. Der Hamburger Bezirk Bergedorf unterstützt das inzwischen mit vier solcher Stationen an Orten, die stark von Radfahrer:innen frequentiert werden. Eine fünfte kommt schon bald dazu. So will der Bezirk das Radfahren noch attraktiver machen und zur notwendigen Mobilitätswende beitragen. Dafür müssen diese Stationen funktionsfähig bleiben. Dafür gibt es einen Wartungsvertrages mit mir. Ich kontrolliere und säubere die Stationen regelmäßig und ersetze Verschleißteile. Zu meinen Kunden gehören aber auch Gemeinden, die auf den immer beliebteren Fahrradtourismus setzen und ihren Gästen guten Service bieten wollen.

Green Planet Energy: Das Fahrrad ist für eine erfolgreiche Verkehrswende zweifellos wichtig. Wenn du Verkehrsminister wärest, was würdest du als erstes verändern?

Jochim Maack: Ich würde für einen massiven Ausbau der Fahrradinfrastruktur sorgen, zum Beispiel schnelle durch Velorouten und sichere Radwege. Und ich würde für einen Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr sorgen! Als erste Sofortmaßnahme böte sich das bereits in einigen Städten angebotene 365 Euro Jahresticket bundesweit an. Es ist einfach höchste Zeit, dass wir vom Auto-Individualverkehr auf klimafreundliche Verkehrsangebote umsteigen und endlich Ernst machen mit der notwendigen Mobilitätswende.

INFO: Die Schnackschrauber sind immer auf der Suche nach Spendenrädern. Vor allem Kinderräder werden dringend gebraucht. Wenn Sie Räder zur Verfügung stellen möchten, dann melden Sie sich direkt per Mail bei Herrn Maack unter VeloFit@gmx.de

Weitere Informationen finden Sie auch unter: www.velofit-fahrradstationen.de

Hendrik Voigt
Hendrik Voigt
Der Wirtschaftsingenieur mit dem Schwerpunkt Innovations- und Technologiemanagement arbeitet seit 2020 bei Green Planet Energy im Bereich Kooperationen. Als Manager Strategischer Vertrieb ist er mitverantwortlich für die Aktivitäten von Green Planet Energy im Markt.