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Banking darf nicht die Welt kosten

Geld von einem Teil des Problems zu einem Teil der Lösung werden lassen – das ist das Ziel der Macher von Tomorrow. Mit dem ersten nachhaltigen Girokonto für das Smartphone möchte das Hamburger Start-up-Unternehmen das Thema nachhaltige Finanzen aus der Nische holen.

Ökostrom – oder sagen wir besser: vermeintlichen Ökostrom – gibt es mittlerweile an jeder Ecke. Ökomode ist längst der Mottenkiste entwachsen und als eco fashion glamourös geworden. Was vegan bedeutet, versteht fast jeder und immer mehr leben auch so. Kurzum: In immer mehr Lebensbereichen haben sich nachhaltige, ökologische und faire Alternativen etabliert.

Jakob Berndt, Gründer von Tomorrow.
Jakob Berndt, Gründer von Tomorrow (Foto: Michi Schunck / Tomorrow)

Dieser Wandel ist aber noch nicht in allen Bereichen angekommen. In der Finanzbranche beispielsweise spielte Nachhaltigkeit bisher nur eine untergeordnete Rolle. Doch dies wollen die Macher von Tomorrow nun ändern. Ihr Mittel zum Zweck: Ein zeitgemäßes Konto für alle, die in der Hand ein Smartphone und im Inneren einen gesunden moralischen Kompass tragen. So das Versprechen. Was es damit auf sich hat, erklärt uns Jakob Berndt, einer der drei Gründer von Tomorrow.

Greenpeace Energy: Eine Eurer Kernaussagen lautet „Banking darf nicht die Welt kosten“. Das ist ein starkes, gleichzeitig vieldeutiges Statement. Bitte erläutere uns doch, was Ihr damit ganz konkret meint.

Jakob Berndt: Nun, Banking kostet uns heutzutage leider sehr häufig die Welt in der wir leben möchten. Denn konventionelle Finanzinstitute finanzieren mit Krediten oder Investments vieles von dem, was unseren Planeten herunterwirtschaftet: Massentierhaltung, Atomenergie, Kohlekraft, Rüstung, all das. Das muss sich dringend ändern! Mit Tomorrow wollen wir Geld von einem Teil des Problems zu einem Teil der Lösung werden lassen – indem wir die Gelder unserer Kundinnen und Kunden ausschließlich dazu nutzen, zukunftsfähige Branchen und Akteure zu finanzieren. Mikrokredite an Frauen im globalen Süden zum Beispiel oder regenerative Energien hier vor unserer Haustür.

Greenpeace Energy: Es gibt 2.000 Banken in Deutschland, davon eine Handvoll Ökobanken, wie die GLS Bank oder die Umweltbank. Warum braucht es mit Tomorrow trotzdem noch eine weitere Bank?

Jakob Berndt: Ein klein wenig steckt die Antwort schon in der Frage drin. Es gibt in der Tat mehr als genug Banken und entsprechend viele Angebote. Allerdings sind von den 100 Millionen Girokonten in Deutschland nicht einmal 0,5% bei einer nachhaltigen Bank. Das Thema „ethische und nachhaltige Finanzen“ steckt also maximal in der Nische. Dafür ist es allerdings viel zu wichtig, denn der Hebel für Veränderung wäre riesig, wenn mehr Menschen ihr Geld in die richtige Richtung lenken würden. Dafür sind wir angetreten: das Thema entstauben, es raus aus der Nische und rein in den Zeitgeist holen… und langfristig in die Mitte der Gesellschaft. Dafür kombinieren wir Top-Technologie mit Design und konsequenter Nachhaltigkeit und einer neuen Form von Transparenz.

Greenpeace Energy: Wie sieht Euer Angebot ganz konkret aus? Welche Vorteile habe ich als Euer Kunde, den ich bei einer herkömmlichen Bank womöglich nicht habe?

Bildausschnitt aus der Tomorow Banking App.
Smartes Banking (Foto: Tomorrow)

Jakob Berndt: Wir bieten ein konsequent nachhaltiges Girokonto, entwickelt für das Smartphone. Man kann es in wenigen Minuten vom Handy aus eröffnen, ohne Gang in die Filiale. Ein paar Tage später kriegt man seine Visa-Karte und erlebt dann Banking in Echtzeit: bei jeder Zahlung gibt’s eine Push-Nachricht, alle Einnahmen & Ausgaben werden automatisch kategorisiert und in ein digitales Haushaltsbuch überführt. Gleichzeitig sieht man im „Impact Board“, wo das Geld wirkt, Stichwort Mikrokredite und so. Und zudem leistet man bei jeder Zahlung einen positiven Beitrag und finanziert – auf unsere Kosten! – ein Klimaschutz-Projekt in Brasilien.

Greenpeace Energy: Stichwort Bankenkrise. Das Vertrauen in die Banken hat in den vergangenen Jahren massiv gelitten. Mit der Skepsis geht bei vielen auch die Angst einher, das eigene Ersparte zu verlieren. Nun stellt sich bei Euch als jungem Start-Up natürlich die Frage: Ist mein Geld bei Euch trotzdem sicher?

Jakob Berndt: Keine Sorge: Das Guthaben jedes Tomorrow-Kunden ist bis zu 100.000 € abgesichert. Dies entspricht dem Standard für alle europäischen Kreditinstitute. Egal ob alt oder jung, klein oder groß.

Greenpeace Energy: Wenn man sich auf Eurer Webseite umschaut, sieht man schnell, dass es Euch nicht nur um die reine Dienstleistung „Bank“ geht. Ihr verfolgt eine klare Vision, das Versprechen an Eure Kunden lautet: „Eine Karte, die das Klima schützt“. Wie sieht dieser positive „Impact“ aus?

Eine mit Waldboden bedeckte Kreditkarte auf grünem Hintergrund.
Foto: Tomorrow

Jakob Berndt: Bei Tomorrow gibt es aktuell zwei Prinzipien, mit denen Geld Gutes tut: zum einen der Tomorrow-Beitrag, der bei jedem Einsatz der Karte aktiviert wird. Jedes Mal, wenn man mit der Tomorrow-Karte bezahlt, leistet man einen Beitrag für den Klimaschutz. Das geht so: Bei Transaktionen mit Kreditkarten bezahlt der Händler – das kann der Bio-Supermarkt oder das Lieblingscafé sein – eine sogenannte „Interchange Fee“ an die Bank, von der die Karte stammt. Das ist ein weltweit etabliertes System – und bildet für viele Banken eine Einnahmequelle. Als Kunde bekommt man davon gar nichts mit. Wir möchten hier einen Unterschied machen und nutzen die Gebühren für weltweite Klimaschutz-Projekte. So können wir gemeinsam, Tag für Tag, einen Beitrag für ein besseres Morgen leisten. Zum Start fließt der gesamte Tomorrow-Beitrag in ein Waldschutz-Projekt in Portel, Brasilien.
Zum anderen die sogenannten Kundeneinlagen, mit denen wir nachhaltige Projekte finanzieren. Bei Geldern, die auf Girokonten liegen, spricht man von sogenannten “Kundeneinlagen“. Über diese Gelder können Banken, unter Berücksichtigung bestimmter Eigenkapitalquoten, frei verfügen, um damit zu arbeiten. Wir werden diese Gelder ausschließlich einem positiven Zweck zu führen, sprich: nachhaltige Branchen und Projekte damit finanzieren. Aktuell fließt ein Teil der Einlagen in einen „Mikrofinanz-Fonds“ und einen „Green Bond“, der schwerpunktmäßig den Ausbau regenerativer Energien in Deutschland fördert. Viele weitere Projekte werden folgen.

Greenpeace Energy: Was unterscheidet Euch dabei ganz konkret von einer herkömmlichen Bank?

Jakob Berndt: Das habe ich ja schon anklingen lassen. Konventionelle Banken sprechen in der Regel wenig bis gar nicht darüber, welche Wirkung die Gelder ihrer Kunden erzielen. Also, wo sie mittels Krediten oder Investments zum Einsatz kommen. Wenn man sich jedoch die Mühe macht, dem mal auf die Spur gehen zu wollen, ist die Erkenntnis oft sehr ernüchternd: Dann stellt man fest, dass man als VeganerIn vielleicht mit seinem eigenen Geld die Expansion von Kentucky Fried Chicken finanziert. Diesem Dilemma wollen wir entschlossen entgegentreten: in dem das Geld nur zukunftsfähige Projekte finanziert und die Kunden zudem ständig in Echtzeit auf dem Laufenden darüber bleiben.

Greenpeace Energy: Tomorrow ist nicht das erste Unternehmen, das Du mitgegründet hast. Mit Lemonaid hast Du bereits ein sehr erfolgreiches Social Business aufgebaut. Was hat Dich bewogen, nach Lemonaid noch einmal ganz von vorne anzufangen und ein neues Business aufzuziehen?

Jakob Berndt, Michael Schweikart und Inas Nureldin, das Gründungsteam von Tomorrow, sitzen gemeinsam auf einer Bank.
Gemeinsam eine Bank: Jakob Berndt, Michael Schweikart und Inas Nureldin, Gründungsteam von Tomorrow (Foto: Tomorrow)

Jakob Berndt: Lemonaid war ein großartiges Abenteuer. Gemeinsam mit meinen MitstreiterInnen haben wir mehr als 4 Millionen Euro für Projekte der Entwicklungszusammenarbeit erwirtschaftet – und den Beweis angetreten, dass Social Business auch verdammt viel Spaß machen kann. Wir haben den Fairen Handel quasi aus dem Reformhaus befreit und sind mit ihm Tanzen gegangen. Nach fast zehn Jahren war es für mich persönlich aber Zeit, etwas Neues zu beginnen. Ich habe mit meinen Tomorrow-Mitgründern Inas und Michael zwei fantastische Jungs kennengelernt … und gleichzeitig erst so richtig verstanden, welch enormes Potential zu positivem Wandel im Finanzmarkt steckt. Vorher war ich ähnlich naiv unterwegs wie 99,5% der Deutschen. Nun versuche ich, mit meinen bescheidenen Mitteln dazu beizutragen, dass unser aller Geld zu einem besseren Morgen beiträgt.

Greenpeace Energy: Warum ausgerechnet eine Bank? Es gibt vermutlich kaum ein Business, welches weniger Sexyness ausstrahlt, als das Bankwesen. Der Banker gilt als Schlipsträger, Bürohengst, Zahlendreher… das sind dämliche, aber noch immer gängige Vorurteile. Ihr seid eher Typ smarte, umweltbewusste Gründer aus dem hippen Hamburger Schanzenviertel. Wie geht das zusammen?

Jakob Berndt: Klar, bevor wir da Projekt Tomorrow gestartet haben, hat sicher keiner von uns mittlerweile 25 Köpfen im Team daran gedacht, mal eine Bank zu gründen. Aber nochmal: die Möglichkeiten, hier etwas zu bewegen, sind einfach enorm. Und der Markt stellt sich technologisch gerade komplett neu auf. Es braucht keine Riesen-Apparate mehr, um mit zu machen. Es braucht smarte, technologische ausgereifte Lösungen, eine zeitgemäße Ansprache – und vielleicht auch gerade den unverbrauchten Blick von draußen. Das bringen wir alles mit. Und St. Pauli ist für die meisten von uns das Zuhause, das ist kein Hipster-Schachzug.

Greenpeace Energy: Zum Schluss der berühmte Blick in die Glaskugel… wo möchtet Ihr in fünf Jahren stehen? Und was möchtet Ihr bis dahin erreicht haben?

Jakob Berndt: In fünf Jahren haben wir hoffentlich dafür gesorgt, dass viel mehr Leute auf dem Schirm haben, welche Rolle Finanzen dabei spielen, wenn es um das Wohl & Übel unseres Planeten geht. Wer weiß, vielleicht haben wir bis dahin die Branche komplett aufgerüttelt und für ein Umdenken gesorgt. Das wäre mein größter Wunsch. Und dass die Reise bis dahin so viel Spaß gemacht wie bisher.

Greenpeace Energy: Wir danken Dir vielmals für Deine Zeit und wünsche Euch auch weiterhin so viel Erfolg dabei, die Finanzwirtschaft aufzumischen.

INFO: Ausführliche Infos finden Sie auf der Tomorrow Webseite. Ausdrücklich lesenswert ist auch der reichhaltige Tomorrow Blog mit zahlreichen Artikeln, Interviews und Hintergründen – nicht nur zum Thema Banking.

Matthias Hessenauer
Matthias Hessenauer
Der Medienkaufmann und studierte Marketing-Kommunikations-Ökonom ist seit 2008 bei Green Planet Energy tätig. Nach seinem Quereinstieg in den Privatkundenservice und weiteren acht Jahren im Marketing, verantwortet er seit 2019 den Bereich Kooperationen bei Green Planet Energy.